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Oasenzeit

Von Licht und Schatten


Mit dem Rizinus geht es heute um eine sehr schöne, aber weniger spaßige Pflanze, die wir auch keinesfalls zum Genuss anbieten wollen.
Der aus den Tropen stammende Rizinus (Rizinus communis) aus der Familie der Wolfsmilchgewächse ist ein schnell wachsender einjähriger Strauch, der im gesamten Mittelmeerraum sehr häufig wild vorkommt, auch in Palästina. Funde aus ägyptischen Gräbern weisen darauf hin, dass er bereits seit 4000 v. Chr. in Ägypten heimisch und genutzt war.

Die Wurzel ist stark verzweigt und wächst schnell, wodurch der Rizinus einen guten Halt bekommt. Der Strauch erreicht mit seinem geraden Stamm eine Höhe bis zu 4 Metern und bildet stark gefiederte, grüne bis rötliche Blätter aus, die einen Durchmesser von bis zu 60 Zentimeter erreichen können. Im Mittelalter hat man ihn deswegen auch „Wunderbaum“ genannt oder „Palma Christi“. In der Form der Blätter hat man die ausgestreckte Hand Christi gesehen. Schnellwachsend und große, schattenspendende Blätter - das sind schon mal Eigenschaften, die zur Erzählung um Jona passen.

Der Rizinus im Bibelgarten reicht in diesem Jahr allerdings nicht zum Schattenspenden. Er ist leider recht winzig geblieben. Dazu kommt, dass der Rizinus bei geringer Verletzung so schnell abstirbt, wie er aufgeschossen ist. Und - ganz nach dem Motto „Und die Bibel hat doch recht“ - wurde jüngst ein nachtaktiver Schmetterling aus der Familie der Bärenspinner in Israel (wieder-) entdeckt. Dessen Raupen ernähren sich ausschließlich vom Rizinus. Sie nagen auch die Stängel der Pflanze an, was unter Umständen zu einem raschen Absterben des Strauches führt. Besagter Falter (Olepa schleini) ist der einzige aus der Gattung Olepa, der außerhalb von Indien vorkommt und nicht von dorther eingeschleppt wurde. Diese Insektenart war der Wissenschaft also tatsächlich über 2500 Jahre lang verborgen geblieben. In der Bibel wurde sie aber schon ziemlich genau beschrieben, von der Nachtaktivität über das Fressverhalten bis hin zum Lebensraum auf dem Rizinus.

Nun noch zu den weiteren Eigenschaften unserer Pflanze, die für Gottes Entscheidung, sie Jona zu schenken, keine Rolle spielten. Dazu betrachten wir die Früchte der Pflanze. An der Spitze des Stammes und der Zweige stehen eingeschlechtliche Blüten in rispenartigen Trauben, im unteren Bereich die männlichen Blüten mit ihren gelben Staubblättern, im oberen Bereich die weiblichen roten Blüten.  Die Früchte sind zwei- bis dreifächrige Kapseln in einem stacheligen Mantel in einer Größe von 2-3 Zentimetern. Jede Zelle enthält einen Samen, der bis zu 60% aus einem sehr nutzbringendem Öl besteht, der aber auch das tödliche Gift Rizin enthält.

Schon seit der Antike hat man durch kalte Pressung des geschälten Samens das ungiftige Rizinusöl (Ricini oleum) gewonnen, das vielfältig verwendet wurde. Für Assyrien und Ägypten ist die Verwendung als Lampenöl belegt. Auch als Heilmittel wurde Rizinusöl verwendet - z.B. bei Hautausschlag und Kopferkrankungen oder – wie bis in die heutige Zeit - ziemlich durchschlagend gegen Verstopfung.
Eine mittelalterliche Rezeptur beschreibt die Einnahme von 30 zerstoßenen Körnern - da kann man nur hoffen, dass sie nie angewendet wurde, denn bereits 1 Korn kann tödliche Wirkung haben. So berühmt nämlich die Pflanze und nützlich deren Öl ist, so berüchtigt ist ihr Gift. Neben den öllöslichen Inhaltsstoffen enthält die Pflanze in der Schale des Samens das wasserlösliche Eiweiß Rizin. Bei der Ölgewinnung tritt das Eiweiß jedoch nicht in das Öl ein, sondern bleibt in den ausgequetschten Pressrückständen der Samen.

Rizin ist eines der stärksten Gifte des Pflanzenreichs, so giftig, dass es unter die Chemiewaffenkonvention fällt und somit als biologischer Kampfstoff gilt.  Vielleicht erinnert sich jemand an das sogenannte „Regenschirmattentat“ von 1978. Der Regimegegner Markow wurde in London vom bulgarischen Geheimdienst mit Hilfe des KGB getötet. Eine mit Rizin präparierte Regenschirmspitze soll ihm die tödliche Wunde am Bein zugefügt haben.  Und 2018 wurden in einer Wohnung in Köln bis annähernd 1.000 Dosen des toxischen Giftes sichergestellt wurden. Der Besitzer wurde beschuldigt damit einen terroristischen Anschlag im Sinne gehabt zu haben.

Aber unser Rizinus hat auch seine guten Seiten:

Als eines der wichtigsten technischen Öle überhaupt, wird Rizinusöl heute vor allem zur Herstellung von Schmieröl, von Seifen, Farben, Lacken, Kunststoffen, Linoleum und für Kosmetika  verwendet. Das Öl der Samen, die auch Castorbohnen genannt werden, wurde früher auch als Brennöl eingesetzt. Die Rückstände der Ölpressung (Ölkuchen, Schrot) werden (nach Entgiftung durch Hitzeinaktivierung) häufig in organischen Düngern oder als Tierfutter verwendet.

Mit diesen gegensätzlichen Eigenschaften passt der Rizinus doch sehr gut zu dem Thema der heutigen „Oasenzeit“: Licht und Schatten.


Text von Andrea Müller-Bischoff
 

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