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Oasenzeit

Palmenzweige und Hosianna


Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel! Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, wie geschrieben steht : »Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.« Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so an ihm getan hatte. Die Menge aber, die bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, bezeugte die Tat. Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan.

Johannes 12, 12 - 16

Nicht zu übersehen ist die Palme im Bibelgarten. Jahr für Jahr wächst sie weiter in den Himmel, gerade und aufrecht, wie der Kirchturm. Dessen Höhe wird sie aber wohl nicht erreichen. 

Hier stimmen die klimatischen Verhältnisse nicht und aus diesem Grund haben wir hier auch keine echte Dattelpalme - Phoenix dactylifera, sondern die einigermaßen winterharte Hanfpalme - Trachycarpus Fortunei. Sie ist längst nicht so nützlich wie die Dattelpalme, aber für deren Symbolik kann auch sie herhalten.

Kaum eine Pflanze ist so erwiesen alten Ursprungs wie die Dattelpalme. Schon vor 8.000 Jahren wurde sie in den Trockenzonen Vorderasiens und Nordafrikas kultiviert. Ihre große Wertschätzung zeigt sich auch in uralten bildlichen Darstellungen Babyloniens und Ägyptens, keine andere Pflanze ist dort häufiger dargestellt. Sie war eben nicht nur einfach nützlich, sondern hatte von je her in allen Religionen eine wichtige symbolische Bedeutung, bis heute.

Ohne die Dattelpalme wäre dem Menschen das Vordringen in lebensfeindliche Wüsten und Halbwüsten nicht möglich gewesen. Ihr ist die Besiedelung von Oasen zu verdanken. Die Dattelpalme gedeiht am besten, „ wenn sie ihren Fuß im kühlen Wasser und ihr Haupt im Feuer des Himmesl baden kann „, sagt ein arabisches Sprichwort. Ihre Wurzeln reichen sagenhafte 6 m tief auf der Suche nach Grundwasser und sind damit auch Anzeiger von Wasservorkommen. Ihre Früchte, frisch oder getrocknet, sind zuckerreich und durch ihren hohen Gehalt an wichtigen Mineralien, Vitaminen und Aminosäuren sehr wertvoll und gesund. Sie lassen sich verarbeiten zu Kuchen, Sirup, Essig und alkoholischen Getränken. Eine Palme kann bis zu 200 Jahre alt werden. Im Alter zwischen 40 und 80 Jahren erreicht sie mit jährlich 80- 110 Kilo Früchten ihre höchsten Erträge. 

Das ist aber noch nicht alles, alle Bestandteile der Pflanze werden genutzt. Die Kerne werden eingeweicht an Kamele verfüttert, oder dienen getrocknet als Kaffeeersatz. Palmenstämme nutzt man als Bauholz, ihre Blätter für Matten und anderes Flechtwerk, Blatt- und Stammfasern eignen sich zur Herstellung von Schnüren, Seilen und Körben, verwoben mit Kamelhaar sind sie das Material für äußerst haltbare Zelte. Die jungen zarten Austriebe können verzehrt werden als Palmenkohl oder Palmenherzen. 

So vielfältig wie ihr Nutzen ist auch die symbolische Bedeutung der Palme. Mit ihrem geraden schlanken Stamm, der Wedelkrone obenauf und den Narben der abgefallenen Blätter, bot sie sich als „Baum des Lebens“ an. Die Oase hat damit dem Paradies der Schöpfungsgeschichte als Vorbild gedient. In der Kunst Vorderasiens, im Tempel Salomos oder in der Synagoge von Kapernaum findet man sie dargestellt z.B. auf Friesen aus dem 3. Jh. vor Christus.

Auch im weltlichen Zusammenhang spielte sie bereits in der Antike eine Rolle. Herrscher überreichten ihren Soldaten nach einer gewonnenen Schlacht Palmzweige. Athleten wurden ebenfalls mit solchen Zweigen ausgezeichnet. Sie steht damit als Zeichen für Sieg, aber auch für Auferstehung. So ist es sehr naheliegend, dass Christus beim Einzug in Jerusalem mit Palmwedeln begrüßt wurde. Der jährliche Gedächtnistag heißt deshalb Palmsonntag. Da solle sich das Volk schmücken mit Blumen, Oelzweigen und Palmen, heißt es in alten Schriften. Die Blumen sollen die Tugenden des Heilandes bedeuten, die Oelzweige sein Amt als Friedebringer, die Palmen seinen Sieg über Satan. Sofern das Fest in den ersten Frühling fällt, macht es den Sieg der grünen Vegetation über den unfruchtbaren Winter zum Vorbild eines höheren geistigen Sieges. Palma heisst überhaupt die Knospe, der junge Spross, daher die sogenannten Palmkätzchen oder Weidenblüten, die hier am Palmsonntag statt der echten Palme gepflückt werden, aber immer doch dasselbe bedeuten.

Wo wir auch hinschauen, in der Liebeslyrik des Hohen Liedes, als Vorbild in der romanischen und gotischen Kunst, auf Münzen und Siegeln weltlicher und geistlicher Herrscher, auf Darstellungen von Heiligen und Märtyrern, als Schutz- und Segenszeichen, auf Todesanzeigen und Grabsteinen, im Judentum, Islam und Christentum - keine Pflanze hat eine solche reiche und immer noch lebendige Bedeutungskraft.


Text von Andrea Müller-Bischoff 

 

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