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Oasenzeit

Kleine Frucht - kostbares Öl

Ein Ölbaum ist gut zu erkennen neben anderen Bäumen. Es sind die Blätter, die im Wind wie das Flackern von vielen Flammen aussehen. Der Eindruck entsteht, weil die kleinen Blätter oben dunkelgrün und unten silbergrau sind. Der Ölbaum gibt nicht nur den Anschein von Licht, er war im Altertum der wichtigste Lieferant für das Öl, das für Licht sorgt - im Haus in Tonlampen und außerhalb als ölgetränke Fackeln. Dass der Ölbaum damit zum Symbol für Licht, Heil und Hoffnung wurde, ist wahrhaft einleuchtend.

Der vielfältige Nutzen von Olivenöl in der Antike ist in unzähligen Bibelstellen dokumentiert. Neben der Verwendung als Brennmaterial war es eine Gabe, die Gott vor der Bundeslade und später im Tempel dargebracht wurde. Auch als Heilmittel hatte es Bedeutung. Vielleicht ein Grund dafür, dass Könige und Priester damit gesalbt wurden.
Im ganzen Orient verwandte man das Öl als Schutz für die Haut vor Sonne und Wind. Öl macht das Gesicht schön, so heißt es in Psalm 104. Und von Ester wird erzählt, dass sie 12 Monate lang mit Olivenöl, dem man Myrrhe und Balsam beimischte, eingerieben wurde. Das war die Schönheitspflege, bevor sie vor den König trat. Wenn man diese wichtigen Funktionen bedenkt, ist es kein Wunder, dass in Jotams Fabel (erzählt im Buch Richter) der Olivenbaum als erster gebeten wird, der König der Bäume zu werden. Und kein Wunder, dass dieses Öl schon in der Antike ein wichtiges Handelsgut wurde. Auch davon wird in der Bibel berichtet.

Die Berge Galiläas und Judäas mit ihrem jährlichen Niederschlag von 400-500 Millimetern und den kühlen Nächten sind ideal für den Anbau von Oliven. Als die Israeliten in das gelobte Land kamen, wurde ihnen vorhergesagt, dass sie neben Weizen, Gerste, Trauben, Feigen, Granatäpfeln und Datteln auch den Ölbaum antreffen würden. „Sie können ihre Füße in Öl baden“, heißt es im 5. Buch Mose. Um genügend Bäume für den erhöhten Bedarf zu kultivieren, begann man schon im 8. Jh. vor Chr. mit dem Terrassenanbau. Die Ölbäume blühen im Mai. Wenn alles gut ging, konnte im Oktober geerntet werden. Die nährstoffreiche Ernte aus steinigem Boden ist ein Wunder der Schöpfung. Zur Zeit Jesu schüttelte man dazu die Zweige. Die Oliven, die am Baum blieben, waren für die Armen gedacht - (von dieser Art der Sozialversicherung haben wir schon beim Getreide gehört). Auch die Veredlung der wilden Arten ist ein uraltes Verfahren. Diesen Vorgang nutzt Paulus für ein eindrucksvolles Bild: Das Einpfropfen des Zweiges eines wilden in einen edlen Ölbaum entspricht der Anbindung der Heiden an den Glauben der Juden und Christen. (Römer 11, 17)

Die Ölproduktion kennt drei Schritte: Das Zerquetschen der Oliven zu einem Brei - in alter Zeit mit den Füßen, später durch Schraubpressen und Mörser. Die Flüssigkeit wurde dann herausgepresst und das leichtere Öl, das sich vom Bodensatz absetzte abgeschöpft. Die Reste nutzte man zur Düngung der Bäume. Auch die Kerne enthielten noch genug Öl, um sie als Brennstoff in Öfen zu verwenden. Das aramäische Wort für Ölpresse ist Gat Shamna. Daraus wird im Griechischen des Neuen Testaments Getsemani, der Garten mit den Ölbäumen, in dem sich Jesus mit seinen Jüngern vor der Gefangennahme aufhielt. Ölbäume können sehr alt werden, sind auch über hundertjährig noch fruchtbar und können sich aus ihren alten knorzigen Stämmen verjüngen. Im Garten Getsemani sollen Bäume stehen, die  über tausend Jahre alt sind.

Viele Jahre sind vergangen, der Bedarf an billigem Olivenöl hat in den letzten Jahrzehnten gewaltig zugenommen. In Andalusien zum Beispiel sind riesige Monokulturen entstanden. Die jahrhundertealte Kulturlandschaft mit knorrigen Ölbäumen zwischen Gräsern, Getreide und Wildpflanzen musste weichen. Heute stehen die Bäume in Reih und Glied mit weitem Abstand zueinander, damit die gigantischen Rüttelmaschinen durchfahren können. Eine Baumlandschaft auf totem Sandboden, es fliegt oder kriecht kein Insekt, es zwitschert kein Vogel. Herbizite und Pestizite vertreiben alles natürliche Leben.

Kleine Frucht - kostbares Öl. Alles Gute hat seinen Preis: Das Olivenöl, das ich für unsere Salbung ausgesucht habe, wird von Kleinbauern im Westjordanland aus Rumi-Oliven gewonnen. Es ist biologisch und in ausschließlich mechanischem Verfahren erzeugt. Außerdem ist es fair gehandelt, verbessert nachhaltig die Situation der Kleinbauern und pflegt die alte Tradition der Ölgewinnung.


Text von Andrea Müller-Bischoff

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