Oasenzeit
Fröhliches Fest - Sukkot
Die Weintrauben sind gelesen, das Getreide geschnitten, der Mais gehäckselt und auch die Apfel- und Birnbäume sind weitgehend abgeerntet. Für alle, die dafür gearbeitet haben, eine anstrengende Angelegenheit - aber nun ist die Zeit für danken und feiern, das haben wir Christen am vergangenen Sonntag mit dem Erntedankfest getan.
Auch die Juden begehen zur Zeit ein Fest, mit dem die Freude über eine reiche Ernte zum Audruck gebracht wird. Das Laubhüttenfest, auf hebräisch „Sukkot“, dessen Regeln wir gerade im Bibeltext gehört haben. Sieben Tage wird gefeiert, in diesem Jahr vom 29. Sptember bis zum 6. Oktober.
Ursprünglich galt das Fest dem Erntedank nach Abschluss der Wein-, Obst- und Olivenernte im Herbst. Die Laubhütten, die Sukka, auf dem Feld boten Schutz vor der Mittagshitze und die Feldarbeiter konnten dort auch übernachten. Im Laufe der Jahrhunderte erweiterte sich das Erntefest zu einem Fest, das die gemeinsame Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel erzählt.
Auch heute noch bauen jüdische Familien in den Tagen vor dem Fest eine provisorische Hütte aus Ästen, Zweigen, Laub und Palmwedeln. Viele dekorieren sie festlich mit Früchten sowie bunten Girlanden, Fahnen oder Tüchern. Das Wohnen in der selbstgebauten Sukka, in der gegessen und manchmal auch geschlafen wird, steht in dieser Woche im Vordergrund.
Erinnert werden soll damit auch an die 40-jährige Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste in das gelobte Land. In jener Zeit hatten die Wandernden keine festen Häuser zum Schutz vor Kälte, Sonne oder Regen, sondern nur provisorische Hütten. Das war sicher kein lustiger Campingurlaub, sondern eine Strapaze, die sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt hat. Ein guter Anlass, über die Lage von Menschen nachzudenken, die sich auch heute weltweit auf der Flucht befinden.
Eine weitere Bezeichnung für Sukkot lautet „Fest des Wassers“. Nach jüdischer Überlieferung entscheidet Gott am letzten Tag des Laubhüttenfestes endgültig über die Regenmenge für die kommende Regenzeit. Mit diesem Tag beginnen Juden, täglich um Regen zu beten.
Zu den Ritualen an Sukkot zählt das Schütteln des Feststraußes, des sogennanten Lulavs. Der „Strauß der vier Arten“ wird gebunden aus Palmen- und Myrtenzweige, dünnen Äste der Bachweide sowie einer Zitrusfrucht, dem Etrog. Sowohl die Zahl 4 als auch die Pflanzen selbst haben symbolische Bedeutung.
So heißt eine rabbinische Deutung:
„Eine Myrthe hat nur guten Duft, aber keinen Geschmack, sie steht für jemanden, der gut ist im Tora-Studium, aber keine guten Werke hat. Umgekehrt ist es mit der Dattelpalme, die hat Geschmack, aber keinen guten Duft. Sie steht für jemanden, der gute Taten tut, aber nicht sehr gelehrt ist. Und die Bachweide hat weder Geschmack noch Duft – also das sind Menschen, die weder gelehrt sind noch gute Taten tun.“ Der „Etrog“ aber hat beides. Er duftet und er schmeckt. Er symbolisiert damit den perfekten Menschen, der Zeit in sein Tora-Studium investiert und nach Gottes Geboten lebt.
Etrog auf hebräisch, auf deutsch Zitronatzitronen waren die ersten Zitrusfrüchte, die auf dem europäischen Kontinent angebaut wurden. Eingeführt wurden sie durch jüdische Migranten, die sich nach der Eroberung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. in Spanien, Griechenland und Italien und hier insbesondere in Kalabrien ansiedelten. Bitterorangen und Zitronen brachten arabische Siedler erst im 9. Jh. in die eroberten europäischen Regionen.
Die Früchte haben eine dicke Schale und wenig sauren Saft, das Holz eignet sich weder als Brennholz noch als Baumaterial, die Pflanze ist empfindlich und wirft kaum Schatten. Sie hat jedoch die fast übernatürliche Eigenschaft, gleichzeitig überreichlich Blüten und goldene Früchte von beeindruckender Größe zu tragen. Alles an ihr duftet: Die dunkelgrünen Blätter, die Blüten, die Früchte und selbst das Holz.
Diese bemerkenswerten Eigenschaften brachten der Frucht die große symbolische Bedeutung ein. Die Zitrusfrucht des jüdischen Laubhüttenfestes wird auch mit der Frucht aus dem Paradies gleichgesetzt. Und symbolisiert hier Auferstehung sowie die Verheißung des Paradieses für die Verstorbenen.
Der nach bestimmten Regeln zusammengebundene Lulav wird nach dem Morgengebet in einem festgelegten Ritus geschüttelt. Nach unten und nach oben, d.h. der Mensch steht zwischen Himmel und Erde. Er bewohnt die ganze Welt - also wird auch geschüttelt nach Osten, Süden, Westen und nach Norden.
Man könne das Ritual auch interpretieren auf die gesamte Menschheit, wird gesagt. Der Lulav sei ein Symbol für Diversität, für eine diverse Gesellschaft, und dass eine Gesellschaft all diese Unterschiede auch zusammenhalten soll und muss.
Drei Sorten Zweige und eine Frucht als reales Abbild der menschlichen Gesellschaft. Als Abbild eines Menschen mit gutem Herzen, aufrechten Gang, koscheren Worten und freundlichem Blick.
5. Buch Mose 16, 13
Das Laubhüttenfest sollst du halten sieben Tage, wenn du eingesammelt hast von deiner Tenne und von deiner Kelter, und du sollst fröhlich sein an deinem Fest, du und dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, der Levit, der Fremdling, die Waise und die Witwe, die in deiner Stadt sind.
Sieben Tage sollst du dem HERRN, deinem Gott, das Fest halten an der Stätte, die der HERR erwählen wird. Denn der HERR, dein Gott, wird dich segnen in deiner ganzen Ernte und in allen Werken deiner Hände; darum sollst du fröhlich sein.
Text von Andrea Müller-Bischoff und Renate Rothe