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Oasenzeit

Der geheimnisvolle Mariengarten


In der heutigen Oasenzeit widmen wir uns den Pflanzen, die seit Jahrhunderten Maria zugeordnet werden.

Marienpflanzen sind Heilpflanzen. Ursprünglich waren sie heidnischen Gottheiten geweiht. Im Christentum holte man sie dann ins Mariengärtlein, den Hortus Conclusus - einen abgeschlossenen Garten, der das Paradies symbolisierte.

Marienpflanzen wurden von den Gläubigen im Mittelalter regelrecht verehrt und als Abbild des Himmels auf Erden angesehen. Bis in die Zeit des Barock hinein wurden sie in der Musik, Literatur und bildenden Kunst als Symbole für Tugenden und Leiden, biblische Situationen oder Maria selbst verwendet.
In Bildern aus dem Mittelalter und der Renaissance ist Maria oft in ein paradiesisches Umfeld gerückt worden. So wie auf dem berühmten „Paradiesgärtlein“ eines unbekannten Oberrheinischen Meisters, gemalt um 1410 - 1420. Es hängt in Frankfurt im Städel und misst nur 25,6 x 32,8 cm. Über dieses Bild könnte man stundenlang referieren, es birgt eine Fülle an Symbolik. Oder meditieren, denn auch ohne Genaueres zu wissen, vermittelt sich ein innerer Friede. In der Ummauerung des Hortus conclusus (der Umfriedung) erleben wir die Personen, Pflanzen und Tiere in vollkommener Ruhe, Eintracht und Sicherheit.
Auf dem kleinen Bild dominiert die bekrönte Maria im blauen Schutzmantel, begleitet von dem Kind Jesus und drei weiblichen und drei männlichen Heiligen mit dem besiegten Teufel. Paradiesische Fülle zeigt sich im üppigen Blumengarten eines ganzen Sommers, sowie in den 12 Vogelarten. Alle abgebildeten Blumen sind nach der Natur gemalt, man kann sie erkennen und benennen, aber in Wirklichkeit würden sie nicht gleichzeitig blühen: Akelei, Bachehrenpreis, Erdbeere, Frauenmantel, Gänseblümchen, Goldlack, Immergrün, Kirsche, Klee, Lilie, Märzbecher, Maiglöckchen, Malve, Margerite, Samtnelke, Pfingstrose, Rose, Schlüsselblume, Schwertlilie, Senf, Rote Taubnessel, Veilchen, Wegerich, Chrysantheme, Astern, Johanniskraut und Levkoje.

Schauen wir genauer hin:

Akelei

Die Akelei schmückt auch das Plakat zu dieser Oasenzeit. Eigentlich eine Wildpflanze, hat sie die Gärten seit dem Mittelalter erobert. Sie sät sich aus, wo sie will und schafft immer wieder überraschende Bilder. So zart wie sie ist, ist sie auch durchsetzungsfähig und vielfältig. Sie trägt regionale Namen, die auf Maria hinweisen, z.B. Marüngelli im Thurgau.
Wegen ihrer geheimnisvollen Blütenform, der blauen Farbe und vielfältig zugesprochener Heilkraft bekommt sie früh die Bedeutung als Schutzpflanze, somit auch als heilige Pflanze im Kreis der Marienpflanzen des Paradieses.
Im „Paradiesgärtlein“ symbolisiert die Akelei neben dem kleinen Drachen den Sieg des Guten über die Macht des Teufels durch Maria und durch sie den Erlöser Christus. Das dreigeteilte Blatt wird vielfach in der Krone Mariens dargestellt oder als stilisiertes Ornament in Gewändern. Wie die Akelei ist Maria eine stolze Erscheinung, zugleich hält sie demütig ihr Haupt geneigt.
 

Schwertlilie

Die Schwertlilie ist nicht zu übersehen auf unserem Bild und auch nicht hier im Garten.
Um ihre Bedeutung als Marienpflanze zu verstehen, machen wir einen kleinen Ausflug in die Mythologie. Der botanische Name ist Iris und das ist die Götterbotin - wie Hermes mit geflügelten Schuhen unterwegs zwischen Himmel, Erde und dem Olymp, um die Befehle der Götter auszuführen. Reisend auf dem Regenbogen ist sie die Mittlerin zwischen der göttlichen und der materiellen Welt. Genau diese Rolle wird auch der heiligen Maria zugesprochen. Zudem erinnert ihr hoher Wuchs an die Hoheit Mariens und die spitzen Blätter an Schwerter, die durch ihre Seele dringen - Symbol für das durch die Passion Christi entstandene Leid seiner Mutter Maria.
 

Erdbeere

Die mittelalterliche Erdbeere ist die Walderdbeere. Schon seit der Antike gehörte sie zu den himmlischen Gewächsen. Im Christentum entstand die Vorstellung von der Speise der Seligen im Paradies. Auf diese Beziehung weist die Besonderheit der roten Frucht neben weißen Blüten hin. Die weiße Farbe steht aber auch für die Jungfräulichkeit, Reinheit und Unschuld der Maria, die rote Frucht für Liebe und Blut. Sie kann auch auf den Tod Christi hinweisen. Die schönen dreigeteilten Blätter stehen für die Dreifaltigkeit. Im Volksglauben stellte man sich die Seelen der verstorbenen Kinder unter der Obhut der Gottesmutter vor. Sie führte am Johannistag die Kleinen im Paradies in die Erdbeeren. Die Erdbeere war den bösen Geistern verhasst, auf unserem Bild ist sie neben dem besiegten Teufel zu sehen.
 

Pfingstrose

Wir widmen uns heute nicht der Rose, über die es so viel zu sagen gäbe, sondern steigen auf in eine höhere Kategorie - zur Rose ohne Dornen, der Pfingstrose. Ursprünglich in China beheimatet und dort seit 4.000 Jahren gezüchtet, haben die Römer sie nach Norden gebracht. Seit dem 12. Jahrhundert taucht sie in den Klostergärten auf. Der botanische Name „Paeonia“ weist auf den griechischen Gott Paieon hin, der für die Heilung von Krankheiten zuständig war.
Als „Rose ohne Dornen“ wurde sie zur Attributpflanze der Maria, die diesen Ehrentitel trägt. Denn Maria habe durch die Geburt Christi die alte Schuld der Eva aufgehoben und als Frau (= Rose) die Sünden (= Dornen) getilgt. Wie alle Marienpflanzen gilt die Pfingstrose als Heilpflanze. Sie sollte besonders Kindern gegen Krämpfe helfen und auch das Zahnen erleichtern. Wie eng im Mittelalter Heilung mit Magie verbunden war, zeigt sich besonders bei der Pfingstrose. Wurzel und Samen wurden als schützendes Amulett gegen Behexungen (Hexenschuss) getragen.
Als Schutzpflanze ziert die Blüte, in Stein gemeißelt, die Eingänge vieler gotischer Kathedralen - so auch am Münster Basel.

Text von Andrea Müller-Bischoff
 

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