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Oasenzeit

Balsamische Düfte

"Und der HERR sprach zu Mose: Nimm dir Spezerei: Balsam, Stakte, Galbanum und reinen Weihrauch, vom einen so viel wie vom andern, und mache Räucherwerk daraus, gemengt nach der Kunst des Salbenbereiters, gesalzen, rein, zum heiligen Gebrauch. Und du sollst es zu Pulver stoßen und sollst etwas davon vor die Lade mit dem Gesetz in der Stiftshütte bringen, wo ich dir begegnen werde. Es soll euch ein Hochheiliges sein." (2. Mose 30, 34 - 36)

Nicht sehr häufig begegnen uns in der Bibel Rezepte zur Herstellung bestimmter Produkte. Aber für die Zubereitung des heiligen Salböls und in dem gehörten Abschnitt zum Räucheropfer zur Ehre Gottes gibt es genaue Vorschriften. Ein Wohlgeruch nur für Gott sollte es sein, gewarnt wird dann vor profaner Nutzung. Denn die Menschen zu biblischen Zeiten haben sich an den Düften, die die Natur schenkte, durchaus erfreut. Die Gärten an den Hängen Babylons waren bekannt für ihren starken Blütenduft.

Duftöle, Fruchtextrakte, Räucherwerk und Salben waren ein einträgliches Handelsgut. König Salomo bezahlte große Mengen Gold für Balsam und Spezereien aus fernen Ländern. Vom Balsamöl, das Gott und seine Stellvertreter auf Erden, die Könige, ehrte, haben wir in der letzten Oasenzeit gehört.

Heute soll es um das göttliche Räucherwerk gehen.

Die Praxis des Räucherns selbst hat Mose nicht erfunden, der wohlriechende Rauch lag bereits in der Luft. Schon in den Ritualen der frühen Religion des Schamanismus war das Räuchern üblich und in den Höhlen der Steinzeitmenschen fanden sich Überreste verbrannter Kräuter in den Feuerstellen. Es diente z.B. als Kommunikationsmittel mit der Geisterwelt, für rituelle Heilungen, für Glück bei der Jagd oder zur Vertreibung schlechter Geister. Psychoaktive Stoffe (z.B. Mohn, Cannabis oder Steppenraute), halfen den Schamanen, sich in Trance für ihre magisch-religiösen Handlungen zu versetzen.

Später im Altertum und in der Antike zählte das religiöse Räuchern bei den Hochkulturen zum festen Bestandteil ihrer Rituale und Zeremonien. Auch in den Buddhismus sowie in die monotheistischen Religionen (Judentum, Islam und Christentum) fand es Eingang. In Mittel- und Nordeuropa, bei den Kelten, Germanen und Wikingern war das Räuchern mit einheimischen Pflanzen wie Beifuss und Wacholder für religiöse Zwecke ebenso weit verbreitet wie bei den Aborigines Australiens und den Ureinwohnern des amerikanischen Kontinents.

Im Altertum galt das Weihrauch-Harz, das auch heute in der Katholischen Kirche verwendet wird, als das bedeutendste Räuchermittel. Es stammt von kleinen Bäumen (boswellia sacra), die an den Küsten der arabischen Halbinsel heimisch sind. Es wurde von Arabien nach Ägypten, Griechenland und sogar bis nach Indien von Karawanen auf der berühmten Weihrauchstraße über Land- und Seewege exportiert. Räucherstoffe waren in der Antike neben Salz und Gold ein äußerst wichtiges und wertvolles Handelsgut. Unmengen davon wurden bei religiösen Zeremonien unter freiem Himmel auf riesigen Altären verbrannt.

Kommen wir wieder zu Mose. Neben dem berühmten Weihrauch soll hier auch Galbanum verwendet werden. Dieses ölige Harz wird durch Eintrocknen des Milchsaftes aus den Stängeln einer dem Fenchel ähnlichen Pflanze gewonnen. Balsam ist eher eine Sammelbezeichnung verschiedener Harze. Bei Stakte könnte es sich um ein besonders wertvolles Myrrhenharz handeln. Salz unterstützt bei der Verbrennung.
Also nur die edelsten Zutaten wurden zu Gottes Ehre benutzt. Die Bedeutung des Räucherns bzw. ritueller Rauchopfer bei den Juden zeigt sich im hebräischen Wort „ruach“ (rûaḥ → רוּחַ), das sich mit Geist, Wind, Atem bzw. Atem Gottes, aber auch mit Duft, Feuerluft oder Feuernebel übersetzen lässt. Weihrauch allein wird im Alten Testament 36 mal erwähnt. Der aufsteigende Rauch diente als Transportmittel von Bitten an Gott oder als Zeichen der Anwesenheit Gottes. In der jüdischen Opfertheologie wird mit dem Verbrennen von Räucherwerk der Kontakt zu Gott hergestellt. Der Rauch macht die Verbindung von oben und unten, von Gott und Mensch zeichenhaft sichtbar.

Allen Räucherstoffen werden besondere Wirkungen nachgesagt. Weihrauch soll stimulieren, berauschen und sogar betäuben. Auch zur Desinfektion der Luft an Krankenlagern sowie zum Vertreiben von Parasiten wie Flöhe und Läuse wurde es genutzt. In der traditionellen Medizin des Vorderen Orients sollte es quasi gegen alle Leiden helfen. Neuere Untersuchungen haben darin mehr als 30 Inhaltsstoffe mit teilweise antibakterieller Wirkung nachgewiesen.

Im Neuen Testament ist nicht mehr so viel davon die Rede, aber eine berühmte Stelle in der Räuchermittel nebst Gold als Geschenk einem König dargebracht werden, kennen alle. Bei den ersten Christen zuerst als heidnisch verbannt, wurde Weihrauch erst seit dem 4. Jh. n. Chr. unter Kaiser Konstantin zu einem festen Bestandteil der römischen und griechischen Kirche.

Auch im Zuge christlicher Umdeutung heidnischer Bräuche haben sich Räucherrituale bis heute in den Alpenlandschaften Deutschlands, Österreichs und der Schweiz erhalten. In den Rauchnächten (Rauhnächten) zum Jahreswechsel werden die Häuser und Ställe ausgeräuchert, um diese von bösen Geistern bzw. schlechten Energien zu reinigen. Dazu werden traditionell die geweihten Kräuterbuschen von Maria Himmelfahrt benutzt, aber auch Weihrauch.

In diesen Themenkreis könnten wir uns noch lange vertiefen. Es hat mich selbst erstaunt, das quasi auf dem gesamten Planeten dem Räuchern eine ähnliche Rolle und große Bedeutung beigemessen wurde. Wer sich weiter vertiefen möchte, dem sei die Internetseite „Räucherguru“ empfohlen.

Wir haben zwar einige mediterrane Pflanzen im Bibelgarten, die mit unserem Klima gut klarkommen, aber weder Weihrauch noch Myrrhe würden hier gedeihen.

In meiner Bibelgarten-Räuchermischung befinden sich Labdanum von der Zistrose, Styrax vom Amberbaum, Lavendel und Alant..


Text von Andrea Müller-Bischoff

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