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Oasenzeit

Aus allen Ecken sprießen die Blumen rot und blau


Denn ihr seid wiedergeboren nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da bleibt. Denn » alles Fleisch ist wie Gras und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blume. Das Gras ist verdorrt und die Blume abgefallen; aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit« 
Das ist das Wort, welches euch verkündigt ist.

Petrus 1, 23-25


Zum Augenblicke dürft' ich sagen: Verweile doch, du bist so schön! 
Es kann die Spur von meinen Erdetagen Nicht in äonen untergehn. 
Im Vorgefühl von solchem hohen Glück Genieß' ich jetzt den höchsten Augenblick.

Goethe Faust II Schluss


In diesen Tagen des überbordenden Frühlings fällt mir das Goethe-Zitat ein: 
„Augenblick - Verweile doch, du bist so schön!“ 

Das Zitat stimmt so nicht ganz und ist auch aus dem Zusammenhang gerissen, aber ich glaube jede kann es nachvollziehen in dieser Zeit. Ihr wunderschönen Blüten, bleibt doch noch etwas länger und verwelkt nicht so schnell! Heute bewundere ich eure strahlende Schönheit und morgen seid ihr schon braun, fallt zu Boden, matschig und unansehnlich und werdet wieder zu Erde.

Damit diese Frühlingspracht nicht nur so an mir vorbeirauscht, habe ich mir seit ein paar Jahren vorgenommen, diese Zeit ganz bewusst wahrzunehmen, so als wäre es das letzte Mal. Ich stelle mich unter einen blühenden Kirschbaum und verliere mich in dem Weiß. Wenn ich Glück habe, summen die Bienen und Hummeln und alle anderen Geräusche treten zurück. Ich schaue mir jede Blüte, die in Natur und Garten aufbricht mit Bewusstsein an, lasse mir Zeit, die Insekten darin zu beobachten und nehme jede Veränderung wahr. In diesem Jahr geht die Verwandlung der Natur so rasend schnell, wie ich es noch nie erlebt habe. Mit den Kirschen blühte schon der Flieder, mit den Apfelbäumen entwickeln sich bereits die Rosenknospen. Kann das nicht langsamer gehen? Augenblick, verweile doch, du bist so schön!

Aber der Prozess des Werdens und Vergehens ist unaufhaltsam, selbst kühles, regnerisches Wetter bremst das Aufbrechen der Blüten nicht. 

Schauen wir uns im Bibelgarten um: Zuerst blühten der Mandelbaum und einige wenige Zwergiris, die Osterglocken, manche Sorten immerhin noch an Ostern. Der hohe Birnbaum, der sich aus dem Pfarrgarten erhebt, trotz seines Alters schmückte er sich prächtig. Die leuchtend blauen Traubenhyazinthen, die sich von Jahr zu Jahr mehr ausbreiten. In der Fruchthecke die Schlehen, Kornelkirsche und dann der Zierapfel, hinter der Hütte strahlen gerade Flieder und Schneeballen um die Wette. Im Mariengarten blühen Akelei, Hasenglöckchen und Erdbeeren. Auch die hohen Schwertlilien öffnen erste zarte Blüten. Und es ist Tulpenzeit. Die niedrigen Wildtulpen, Tulipa montana z.B., die auch in Israels Bergen zu finden sind, sind schon durch. Ebenso die Anemonen, die sich aber bei uns nicht so ausbreiten wollen. Die Kronen-Anemone (Anemone coronaria) zählt zu den „Roten Top 3″ der Flora in Israel, gefolgt von den roten Ranunkeln (Ranunculus asiaticus) und dem roten Mohn (Papaver umbonatum). Wenn Jesus von den „Lilien des Feldes“ spricht, meint er vermutlich die Kronen-Anemone. Die Kronen-Anemone wurde 2013 zur Nationalblume des Staates Israel gewählt.

Sie wirkt zart, fast zerbrechlich und schafft es dennoch, die mitunter rauen Witterungsbedingungen zu meistern. Die Anemone, auch Windblume genannt, hat in Israel eine hohe symbolische Bedeutung: Sie verkörpert Hoffnung, Erneuerung und die Schönheit des Lebens und ist ein Symbol für die Widerstandsfähigkeit und Entschlossenheit des Landes, selbst unter schwierigsten Bedingungen zu gedeihen. Für Juden symbolisiert das kräftige Rot der Kronen-Anemone auch Blut und die Opfer des jüdischen Volkes. Auch in diesen schwierigen Zeiten lassen Israelis es sich nicht nehmen, in den Süden zu pilgen, um die nur kurze Zeit vorhandene Wildblumenpracht zu genießen.

Eine junge Israelin meint: „Zeit in der Natur zu verbringen, uns an Blumen zu erfreuen, wird uns seelisch guttun, unsere Resilienz stärken.“

Auch für uns stressgepagte und pessimistisch gestimmte Deutsche wäre es heilsam, mehr Zeit in der Natur zu verbringen. Sich an Blumen erfreuen, das tun doch die meisten Menschen. Am Sonntag im Hermannshof jedenfalls herrscht gewaltiges Gedrängel. Aber die Vorgärten, auch hier in Leutershausen zeichnen sich nicht unbedingt durch Blütenpracht aus. Da könnte jede/jeder sich ein bisschen mehr betätigen, auch zum Nutzen der Insekten. 

Ich empfehle auch sehr das Gärtnern im Bibelgarten. Wenn wir Bibelgärtner*innen hier an diesem besonderen Ort agieren, vergessen wir die unübersichtliche Welt da draußen. Wir sind ganz verbunden mit der Erde und der Schönheit, die sie gebiert und wirken ein wenig an Gottes Schöpfung mit. Das tut uns gut und auch denjenigen, die den Garten besuchen. 


Text von Andrea Müller-Bischoff 

 

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