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Oasenzeit

Bittere Kräuter - Zeichen von Not und Hoffnung

Heute beschäftigen wir uns mit eher unspektakulären Pflanzen im biblischen Kontext.
Nicht zu vergleichen mit dem jetzt zauberhaft blühenden Mandelbaum, den wir im Februar in den Mittelpunkt stellten (als er noch nicht blühte).
Es handelt sich um die sogenannten „Bitterkräuter“. Pflanzen, die man eher übersieht oder die auch mal lästig werden können.

Wenn man bei google den Begriff „Bitterkräuter“ eingibt, erscheint reichlich Werbung für heil- und gesundheitversprechende Produkte. Namen wie BitterLiebe, Schwedenbitter, Hildegard Bitterkräuter versprechen Unterstützung bei der Anregung der Verdauungssäfte und zum Entschlacken. Auch leckere appetitfördernde Liköre werden angeboten. Die Kräuter, die allgemein bekannt sind, heißen Beifuß, Blutwurz, Engelwurz, gelber Enzian, Isländisch Mohn, Löwenzahn, Mahonie, Mariendistel, Schafgarbe, Wegwarte - um nur einige zu nennen.

Aber heute geht es nicht um gesundheitsfördernde Aspekte.
Die biblischen Bitterkräuter beziehen sich auf einen jüdischen Brauch zu Pessach.

Pessach wird als erstes der drei Wallfahrtsfeste im jüdischen Frühlingsmonat Nissan, zur Zeit der ersten Gerstenernte in Israel gefeiert. Doch Pessach ist mehr als nur ein Erntedankfest. Wie alle jüdischen Feste ist auch dieses voll von Symbolen und hat eine ganz bestimmte Bedeutung im Hinblick auf die Leidensgeschichte des jüdischen Volkes: es erinnert an die Zeit des Exodus, an den Auszug der Israeliten aus Ägypten, die Flucht vor Unterdrückung und Sklaverei. Das Pessachfest ist also ein Fest der Freiheit. Aus diesem Zusammenhang leitet sich auch der Name Pessach ab, der so viel bedeutet wie "hinwegschreiten", "verschonen".

Er bezieht sich darauf, dass Gott die Israeliten verschonte, als er die Ägypter mit den zehn Plagen bestrafte. Während des einwöchigen Festes dürfen nur ungesäuerte Speisen im Haus vorhanden sein. Sie symbolisieren die Hast, mit der die Israeliten Ägypten verließen: sie hatten einfach nicht genügend Zeit, ihre Speisen säuern zu lassen. Der "Erfolg" dieser Art von Frühjahrsputz wird durch einen amüsanten Brauch kontrolliert: die ganze Familie unternimmt einen lustigen Umzug durchs Haus, bei dem die Kinder absichtlich liegengelassene gesäuerte Lebensmittel finden und entfernen.

In der Zeit des gesamten Pessachfestes werden Matzen, ungesäuerte Brotfladen, gegessen, welche sowohl die überstürzte Flucht als auch das elende Sklavenleben der Israeliten in Ägypten symbolisieren. Sie werden somit als Brot der Befreiung und Brot des Elends betrachtet. Man achtet streng darauf, dass wirklich alle Speisen ungesäuert sind. Somit gibt es auch Gerichte, die speziell für diesen Anlass kreiert wurden, wie z.B. die sogenannten "Pessach Blinzes".

Am Abend vor Pessach feiern viele jüdische Familien gemeinsam den Sederabend. Das hebräische Wort Seder bedeutet Ordnung und verrät, dass der Ablauf des Abends streng geregelt ist. Neben den Lesungen aus der Haggada und dem Singen aramäischer Lieder haben die Kinder besondere Aufgaben.

Der Sederteller ist das sicht- und schmeckbare Zeichen ?  innerhalb des rituellen Festmahles. Keine der Speisen, die auf dem Sederteller liegen, ist zufällig ausgewählt worden. Jeder erinnert an ein Ereignis während der Sklaverei in Ägypten.

- Karpas ist Petersilie oder ein anderes Gemüse. Es soll die Kinder am Tisch so neugierig machen, dass sie Fragen zum Sedermahl stellen. Hiermit beginnt das Sedermahl.

-  Seroa ist ein angebratener Knochen. Er erinnert an das Lamm als Pessachopfer in der Pessachnacht.

-  Bejza ist ein hart gekochtes Ei. Es erinnert an ein spezielles Zusatzopfer, das für die Wallfahrtsfeste im Tempel gebracht wurde.

-  Maror sind bittere Kräuter wie frisch geriebener Meerrettich, Lattich-, Endivien- oder Chicoreeblätter. Sie erinnern daran, wie bitter und schwer das Leben in der Sklaverei in Ägypten war. Und sie sollen Kraft geben, Bitteres in Süßes zu verwandeln.

-  Chaseret ist ein zweites Bitterkraut. Es kann dieselbe Gemüseart sein wie Maror, aber auch eine andere.

-  Charoset ist eine Mischung aus Wein, Äpfeln und Nüssen. Sie erinnert an den Lehm für die Ziegelsteine, die die Juden in Ägypten herstellen mussten.

-  Salzwasser steht für die Tränen, die die Israeliten in Ägypten vergossen haben. Während der Zeremonie wird Karpas (Petersilie) in das Salzwasser getunkt.


Deshalb haben wir also Bitterkräuter im Bibelgarten!

Diese Kräuterarten haben alle die gleiche Eigenschaft: Es sind meist wild wachsende Pflanzen, die früh im Jahr mit frischem, zartem Grün austreiben, später nach der Blüte bitter und hart werden. Dazu gehören auch Salatsorten wie Romanasalat und Endivie. Wegwarte als die Urmutter von Chicoree, Endivie und Radicchio gehört dazu. Die hübsche später blau blühende Wildblume ist eine traditionelle Bauerngartenpflanze und in allen Teilen essbar. Der scharfe Meerrettich gehört noch dazu, Löwenzahn und wilde Möhre.

Leider muss ich gestehen, dass wir im Bibelgarten davon kein einziges Kraut haben. Aufgrund der personellen Möglichkeiten fällt leider so manches unter den Tisch. Wir werden aber die heutige Oasenzeit zum Anlass nehmen, einige dieser typischen Kräuter zu kultivieren.

Übrigens, falls jemand Lust hat solch einen überschaubaren Bereich zu pflegen  -  herzlich willkommen!
Ihren Platz haben die Bitterkräuter im Bereich Hoffnung, wo auch die Küchenkräuter wachsen.


Text von Andrea Müller-Bischoff

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