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Oasenzeit

Wenn Bäume in die Hände klatschen


Heinrich Heine
Ein Fichtenbaum steht einsam...

Ein Fichtenbaum steht einsam
Im Norden auf kahler Höh'.
Ihn schläfert; mit weißer Decke
Umhüllen ihn Eis und Schnee.

Er träumt von einer Palme,
Die, fern im Morgenland,
Einsam und schweigend trauert
Auf brennender Felsenwand.


Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, 9 sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. 10 Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, 11 so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende. 12 Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen. 13 Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln. Und dem HERRN soll es zum Ruhm geschehen und zum ewigen Zeichen, das nicht vergehen wird. 
Jesaja 55, 8-13

Was für ein wunderschönes Bild präsentiert uns der Poet Jesaja in diesem Text!

Ja, in alter Zeit waren Syrien und Palästina reich an Wäldern. Nicht nur der Libanon, auch die Mittelgebirge Judas, Samarias, Galiläas und des Ostjordanlandes wiesen große Waldbestände auf. Voraussetzung dafür waren Niederschlagsmengen von 400-500 mm. Aber schon früh wurde an den Wäldern des Mittelmeerraumes Raubbau getrieben und trotz Wiederaufforstungsmaßnahmen lässt sich das Bild von den in die Hände klatschenden Bäumen heute nicht mehr so leicht nachvollziehen.
Zu den verbreitesten Baumarten gehörten die Mastixterebinthe und andere Terebinthenarten, immergrüne Tamarisken, Wacholder, Akazien, Mandelbäume, Johannisbrotbäume, Aleppokiefern, Lorbeerbäume und Eichen.
An Bächen und am Jordan waren Pappeln, seltener auch Platanen zu finden. Diese Bäume wurden in der Regel nicht höher als 4 Meter, ausgenommen die langstämmigen Tannen und die Zedern auf dem Libanon.
Und eben die von Jesaja benannten Zypressen, die wir heute in den Mittelpunkt stellen. Man kennt sie aus der Toskana - und aus dem Bibelgarten - als hohe, schlanke, landschaftsprägende Gestalten, das sind aber Kulturformen. 

Die Gattung Cupressus sempervirens wird in vier Untergattungen gegliedert und enthält etwa 25 Arten. Alle sind sie immergrüne, verholzende Pflanzen, die als Bäume oder Sträucher wachsen. Die Wuchsformen der Zypressen-Arten und -Kulturformen variieren von verzwergt bis hoch, von hängend bis säulenförmig, von hochkronig bis ausladend. Ihr schnelles Wachstum und das dichte Laub machen sie zu einem geeigneten Windschutz. 

Bäume spielten in der Lebenswelt des damaligen Menschen eine große Rolle. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die biblischen Texte reich sind an Metaphern, die Bäume oder Pflanzen überhaupt betreffen. Kaum vorstellbar allerdings, dass man im Wald einfach so Freizeit verbrachte, zum Wandern oder gar Waldbaden, so wie wir das heute tun. Sicher waren Bäume als Schattenspender elementar wichtig, zu Siedlungen gehörten stets Feigenbäume oder andere fruchttragende Arten. Die meisten anderen Baumarten aber lieferten begehrtes Nutzholz, das von Holzfällern geschlagen wurde. Begehrt waren lange Stämme für den Bau von Schiffen, in Tempeln und Palästen hatten sie als Holzbalken tragende Funktionen. Zedernholz nutzte man für Dächer und Säulen, Kiefernholz für die Täfelung von Wänden und die Obergeschosse von Häusern. Auch die meisten Gegenstände des täglichen Gebrauchs und für kultische Zwecke, waren aus Holz. In Museen kann man wundervoll gestaltete Werke aus alter Zeit bewundern. Genutzt wurden auch die Rinde, die Harze liefert, die Früchte zum Verzehr, das Abfallholz, das zum Kochen diente. Edle Hölzer, zum Beispiel das der Libanonzeder, waren gefragte Handelsgüter, z.B. nach Ägypten und Arabien, wo es wenig hohe Bäume gab. Der Verlust der Waldgebiete ist da wenig verwunderlich. Auch die vielen Kriege, die Palästina erlebte, führten zu rücksichtslosem Raubbau. 

Aber beschäftigen wir uns noch ein wenig mit der Zypresse.
Ihr Bauholz ist hart, dichtfaserig, von feiner rötlicher Farbe und sehr haltbar. Während der Antike wurde es für Pfosten, Dachsparren, Balken und für die Konstruktion von Weinpressen, Tischen und Musikinstrumenten verwendet. Es war so wertvoll, dass eine Zypressenplantage als ausreichende Mitgift für eine Tochter galt. Heute sorgt das Holz im Instrumentenbau traditioneller Flamencogitarren für brillanten Klang bei gleichzeitig geringem Gewicht. 

Wie auch andere immergrüne Bäume, findet man Zypressen häufig auf Friedhöfen. Von alters her wird sie mit Trauer und Tod in Verbindung gebracht. Durch ihre immergrünen Zweige symbolisiert sie zugleich Hoffnung auf ewiges Leben. In der Mythologie der Antike ist die Zypresse Symbol oder Attribut vieler Götter. Sie steht hier für die Unterwelt, aber auch für Langlebigkeit. 

Leonardo da Vinci sah in ihr den Baum der Auferstehung. Die hochgewachsene kultivierte Zypresse symbolisierte für ihn die Verbindung zwischen Himmel und Erde. Und Hildegard von Bingen meinte, die Zypresse berge das Geheimnis Gottes.  Aber auch für das Heilmittel Zypresse hat sie eine Empfehlung: “Auch wer schwach ist, oder sogar am ganzen Körper ermattet, der koche die Zweige mit den Blättern in Wasser, und er nehme in diesem Wasser ein Bad, und er nehme es oft, und er wird geheilt werden und seine Kräfte wiedererlangen.“ 


Text von Andrea Müller-Bischoff 
 

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