Oasenzeit
Osterfreude
11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, beugte sie sich in das Grab hinein 12 und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte. 13 Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. 14 Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. 15 Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir: Wo hast du ihn hingelegt? Dann will ich ihn holen. 16 Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister! 17 Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott. 18 Maria Magdalena geht und verkündigt den Jüngern: »Ich habe den Herrn gesehen«, und was er zu ihr gesagt habe.
Johannes 20, 11-18
Auferstehung. Das ist das Wort, welches das Geschehen an Ostern verbindet mit der Verwandlung in der Natur zu dieser Zeit. Es ist ja kein Zufall, dass die Erzählung der Ostergeschichte gerade jetzt gefeiert wird, im Frühling. „Alle Knospen springen auf“ werden wir nachher singen. Und so überwältigend wie Jesu Erweckung von den Toten ist das Aufbrechen des Grüns und die Explosion der Farben. Eigentlich völlig unwahrscheinlich, eruptiv, überwältigend. Eben noch war alles kahl und grau und kurz danach leuchtet der Wald bereits in herrlichstem frischen Grün. Die Obstblüte ist ein Rausch an Schönheit, ich kann mich daran nicht sattsehen und bedauere zutiefst die Menschen, die dafür keinen Sinn haben. Ich stelle mich unter einen Kirschbaum und nehme mir Zeit zum Sehen und Hören. Ich nehme den Eindruck in mich auf - so, als wäre es das letzte Mal.
Nicht alles kommt so spektakulär daher, es sind auch die unscheinbaren Veränderungen, die faszinieren. Plötzlich keimt und sprießt es, neues Leben zeigt sich, das zuvor in der Erde oder sonstwo versteckt schlummerte. Insekten schwirren im Sonnenschein und man fragt sich, wo sie im Winter waren. Drei Frösche sind in unseren Teich eingezogen. Wie haben die wohl den Weg hierher gefunden? Im Wald habe ich eine Stelle entdeckt, wo gefühlt Tausende kleiner Eichen sich mutig dem Licht entgegenrecken. Auch die nicht so wahnsinnig beliebten Schnecken sind wieder da. Ich muss gestehen - die begrüße ich meist nicht so freundlich. Aber, wusstet ihr, dass die Weinbergschnecke ein uraltes Symbol der Auferstehung Christi ist? Bei Zeitonline habe ich folgenden Textausschnitt gefunden:
„Die Schnecke ist das Resurrektions-Tier par excellence. Schließlich ziehen sich zahlreiche Arten im Winter in ihr Gehäuse zurück, versehen dieses von Innen mit einer kalkhaltigen Grabplatte und verfallen dann in einen todähnlichen Ruhezustand. Die Vitalfunktionen sind auf ein Minimum zurückgefahren, das Herz schlägt nur wenige Male pro Minute … doch dann, kaum dass die Osterglocken bimmeln, sprengen sie den Deckel wieder auf und springen ans Licht wie ehedem Christus aus dem österlichen Grab. Gibt es ein passenderes Bild für Tod und Auferstehung?“
Tatsächlich geht diese Symbolik auf das Mittelalter zurück. Schnecken waren Grabbeigaben und sind in der christlichen Kunst vertreten. In der evangelischen Stadtkirche St. Sebald in Nürnberg ruht das Grabmal des Namenspatrons auf zwölf steinernen Schneckenskulpturen. Auf dem sogenannten Angst-Altar, ebenfalls aus Nürnberg, sehen wir neben den Füßen des auferstandenen Christus zwei Schnecken kriechen. Das Gehäuse der dritten ist, wie das dahinter liegende Grab, bereits leer. „In all diesen Darstellungen stehen die Schnecken in bemerkenswerter Analogie zum christlichen Erlöser: Sie schleppen ihr Schicksal, ihr Kreuz, ihren Grabstein ergeben auf dem Rücken mit sich herum. Und: Wie für Christus stellt der Rückzug ins Gehäuse für sie nicht das Ende, sondern einen neuen Anfang dar.“
Ob sich meine Einstellung als Gärtnerin zu Schnecken dadurch ändert?
An dieser Stelle möchte ich mal wieder erzählen von der Bibelgärtnerin, die aus gesundheitlichen Gründen leider nicht mehr aktiv mitwirken kann, ihr Beispiel tritt mir aber immer wieder vor Augen. Sie sammelte die zahlreichen Weinbergschnecken ein, die wir im Bibelgarten gut getarnt zwischen den Schottersteinchen fanden. Später brachte sie sie an eine Stelle, wo die Tiere ähnliche Bedingungen vorfanden, aber keinen Schaden anrichten konnten. So sollten wir Gärtner sein und in diesem Sinne alle als Gärtner wirken - denn die Welt hat das wahrhaft bitter nötig: Achtsam, im Einklang mit der Natur, in Liebe zu dem, was uns anvertraut ist.
Zärtlich zugewandt, so wie Jesus als Gärtner sich auf dem Gemälde der trauernden Maria zuwendet.
Gedicht des Monats
Bertolt Brecht
Karsamstagslegende
Den Verwaisten gewidmet
Seine Dornenkrone
Nahmen sie ab
Legten ihn ohne
Würde ins Grab.
Als sie gehetzt und müde
Andern Abends wieder zum Grabe kamen
Siehe, da blühte
Aus dem Hügel jenes Dornes Samen.
Und in den Blüten, abendgrau verhüllt
Sang wunderleise
Eine Drossel süß und mild
Eine helle Weise.
Da fühlten sie kaum
Mehr den Tod am Ort
Sahen über Zeit und Raum
Lächelten im hellen Traum
Gingen träumend fort.
Text von Andrea Müller-Bischoff